Fall von Johanna Bausch, prakt. Tierärztin
„Tina“ ist eine Fjordstute, geboren im Mai 1983, in Offenstallhaltung mit einem Partnerpferd
Vorbericht:
Tina sacke meist beim Putzen plötzlich zusammen, zuletzt ist Sie regelrecht zu Boden gestürzt. Dies geschehe mehrmals (ca. 3-4 mal) während einer halben Stunde.
Die Stute ist seit 1998 im Besitz der Familie und lebt gemeinsam mit einem Partnerpferd in einem Offenstall.
Die Stute wurde alle 6 Monate EHV/IE geimpft, Tollwut jährlich und Tetanus alle 2 Jahre. Zudem wurde sie alle 3-4 Monate entwurmt, seit 1,5 Jahren aber nicht mehr.
Vor Beginn der Behandlung wurde eine Kotprobe untersucht. Es wurden massenhaft Strongyliden nachgewiesen woraufhin die Stute mit Equimax entwurmt wurde. Seither werden vierteljährlich Kotproben untersucht und selektiv entwurmt.
Die Impfungen wurden bis auf weiteres auf die Tetanus-Impfung reduziert.
Eine Blutuntersuchung wurde ebenfalls vor Beginn der Behandlung durchgeführt, verlief aber ohne besonderen Befund.
Anamnese:
Am 27.7.2012 wurde die Erstanamnese durchgeführt.Die Stute ist seit 1998 im Besitz und wird zusammen mit einem Partnerpferd in einem Offenstall gehalten.
Die Besitzer beschreiben die Stute als tolerant, lieb, brav und ruhig, aber auch als widersetzlich (dreht plötzlich um), teils stur. Orts- oder Stallwechsel bereiten ihr Stress und im Umgang mit neuen Menschen, muss man ihr Vertrauen erst gewinnen. Sie ist anderen Pferden gegenüber anhänglich, so sucht sie sich auch auf der „Sommerweide“ immer einen „Freund“. Seit sie in Besitz ist hat sie immer mal wieder gehustet. Allgemein fühlt sich die Stute im Frühling immer besser und sie braucht recht lange um sich von Krankheiten zu erholen.
Im Februar 2003 hat die Stute eine Obstipationskolik, diese wurde konservativ therapiert. Seitdem hat Sie auch immer wieder Husten . Mit Inhalation (NaCl, teils Bronchodilatatoren, teils Schleimlöser) haben Sie das aber ganz gut im Griff.
Im April 2005 hat die Stute erneut eine Obstipationskolik, wieder wird diese konservativ therapiert, aber ein Klinikaufenthalt ist nötig.
2005 hat Sie eine kleine Kolik (keine Therapie erforderlich. Nun zeigt Sie auch noch eine Lahmheit, die Stute wird zur Untersuchung in der LMU vorgetellt, aber eine genaue Diagnose konnte nicht gestellt werden.
2006 erkrankt Sie an einer Bronchitis, mit Verdacht auf einen allergische bedingten Husten. Sie bekommt Penicillin, reagiert aber mit einer allergischen Reaktion, woraufhin Sie Cortison bekommt. Husten trete nun immer wieder auf, ohne jahreszeitliche Häufung.
Juli 2008 beginnt eine Lahmheit vorne rechts, es wird der Verdacht auf eine Hufrehe geäußert.
Im Oktober 2008 lahmt Sie nun wieder hinten.
Von diese Lahmheiten erholt Sie sich schlecht und kann fast den ganzen Winter 2008/09 nicht geritten werden. Sie steht viel in der Box und baut stark ab. Tina läuft allgemein stark vorhandbetont, darum solpert sie häufig. Normalerweise geht es der Stute im Frühjahr immer besser, aber diesmal nicht.
Im Herbst 2009 kann wieder mit Reitstunden begonnen werden, aber nur 30min.
2011 fällt auf, dass die Stute schreckhafter wird.
Im Winter 2011/12 zeigt die Stute eine Pseudonarkolepsie, mit steigender Intensität, so dass Tina bis zu 3 Mal während eines Putzvorgangs zusammensackt.
Anfang Juli 2012 stürzt Sie sogar zu Boden und verletzt sich eine wenig am Brustbein und den Karpalgelenken.
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17.02.2016 Auf telefonische Nachfrage berichten die Besitzer, dass es der Stute sehr gut geht, die Narkolepsie sei nicht mehr aufggetreten. Sie habe über den Winter etwas Gewicht verloren und bekomme nun Heucobs, auch wird sie nicht mehr so viel geritten (aber sie wird immer noch im Schritt und Trab unter dem Reiter und an der Hand bewegt).
Im Oktober 2016 sehe ich die Stute, weil ich das Partnerpferd behandele. Es geht ihr gut, Sie wird nach wie vor geritten und sieht dem Alter entsprechend sehr gut aus. Die Stute ist nun bereits 33 Jahre alt.
Nachbeobachtungszeit: 2 Jahre
Allgemeine Hintergrundinformation:
Allgemein wird zwischen der echten Narkolepsie, eine Hypersomnie mit zentraler Ursache und der Pseudonarkolepsie, eine Hypersomnie aufgrund eines Schlafmangels, bedingt durch soziale, orthopädische oder neurologische Probleme, unterschieden. Bei letzterer Form tritt das „Einschlafen“ vor allem in Ruhephasen auf, teils auch beim Putzen oder Füttern. Bei der echten Narkolepsie dagegen, wird es durch bestimmte Stimuli ausgelöst.
Typische Veränderungen am Hirnstamm oder der Pons (vergleichbare Erkrankungen bei Hunden) wurden bei Pferden nicht nachgewiesen.
Letztendlich bleibt es auch hier, wie oft bei dieser Erkrankung, bei einer Verdachtsdiagnose, da auf weitreichende Untersuchungen (EEG, Liquorpunktion) verzichtet wurde. Allerdings ist die Symptomatik auch stark hinweisend.
(Quelle: aus „Pferdekrankheiten – Innere Medizin“, Hrsg Vinzenz Gerber, Reto Straub
2. Auflage, 2016 , erschienen im Haupt Verlag)
Bildnachweis: Fjordpferd Fotolia