Artikel von Dr. med. vet. Ina Luz aus München, Fachtierärztin für Pferde
Die Anamnese ist die entscheidende Schlüsselstelle zur Fallbearbeitung, Repertorisation und Verschreibung – aber auch zum Besitzer und nicht zuletzt zum Patienten. Also eine wichtige Sache.
Werden hier falsche Informationen ermittelt, wird das Ergebnis nicht zufriedenstellend sein. In der Veterinärmedizin kommt noch erschwerend hinzu, dass wir viele Informationen nicht direkt, sondern indirekt über den Besitzer erhalten und manche Symptome, wie z.T. die Empfindungen gar nicht erfassen können.
Hahnemann gibt genaue Anweisungen für die Anamneseführung (§ 84, Organon: „Der Kranke klagt den Vorgang seiner Beschwerden, die Angehörigen erzählen seine Klagen, sein Benehmen, und was sie an ihm wahrgenommen; der Arzt sieht hört und bemerkt durch die übrigen Sinne, was verändert und ungewöhnlich an demselben ist. Er schreibt alles genau mit den nämlichen Ausdrücken auf, deren der Kranke und die Angehörigen bedienen. Wo möglich lässt er sie stillschweigend ausreden, …, ohne Unterbrechung“).
Hier stecken wichtige Details drin.
1. Feststellen, was ungewöhnlich ist. – Das setzt voraus, dass man in der Lage ist pathognomonische Symptome als solche zu erkennen und zu unterscheiden, was ist hier typisch für eine bestimmte Erkrankung (z.B. Grippe – Fieber) was ist typisch für diesen einen Patienten (z.B. großer Durst, möchte aber nur kleine Schlucke eines kalten Getränkes trinken)
Hier ist eine gute tiermedizinische Ausbildung mit der Kenntnis von tierart -und rassespezifischen Besonderheiten gefordert.
2. Den Patienten (in der Tiermedizin den Besitzer) in Ruhe ausreden lassen (Spontan – Anamnese)
In der sogenannten Spontananamnese werden häufig die wichtigsten Symptome erwähnt! Außerdem ist es wichtig, dass dem Besitzer wirklich aufmerksam zugehört wird um keine wichtigen Informationen zu verpassen. – Zumal wir in der Tiermedizin keine direkten Fragen an unsere Patienten stellen können.
3. Aufschreiben (mit den „nämlichen Ausdrücken“)
Eine möglichst wortgetreue Aufzeichnung der Aussagen des Besitzers (auch aus der gelenkten Anamnese) ist später bei der Suche nach dem richtigen Mittel sehr hilfreich. Je genauer die Symptome differenziert werden, desto besser kann man in der Regel das passende Medikament erkennen.
In der Homöopathie unterteilt sich die Anamnese in die Spontan Anamnese und die gelenkte Anamnese
Bei der Spontananamnese soll der Patient bzw. der Patienten-Besitzer alle, ihm wichtig erscheinenden Details zu seinem Tier und seiner Erkrankung erzählen. Dabei wird er möglichst wenig unterbrochen, lediglich kurze Verständnisfragen sind erlaubt.
Es sollten auch Dinge angesprochen werden, die scheinbar in keinem Zusammenhang mit der Erkrankung stehen. Dem Bericht wird aufrichtiges Interesse geschenkt, ohne das Berichtete zu „werten“.
Nach der Spontan-Anamnese folgt die „gelenkte“ Anamnese, in der der Therapeut erwähnte Symptome präzisiert und mit gezielten Fragen die möglichen Mittel eingrenzt.
Da in der homöopathischen Denkweise eine Krankheit immer den ganzen Patienten betrifft, ist wichtig, dass nach Möglichkeit die Körperebene, die emotionale Ebene und die psychische Ebene erfasst werden und bei der Wahl des homöopathischen Arzneimittels berücksichtigt werden.
Natürlich werden nicht immer aus allen Ebenen Symptome zu finden sein, doch die Stimmungslage muss nach Hahnemann immer zur gewählten Arznei passen, auch wenn hier keine Symptome über die Gemüts – Rubrik zu ermitteln sind (§213, Organon), „Man wird daher nie naturgemäß, das ist nie homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem, selbst acuten Krankheitsfalle, zugleich mit auf das Symptom der Geistes und Gemüths-Veränderung siehet und nicht zur Hülfe eine solche Krankheitspotenz unter den Heilmitteln auswählt, welche nächst der Aehnlichkeit ihrer andern Symptome mit denen der Krankheit, auch einen ähnlichen Gemüths – oder Geistes-Zustand für sich zu erzeugen fähig ist“
Klinische Untersuchung
Außerdem erfolgt natürlich eine genaue klinische Untersuchung mit allen notwendigen diagnostischen Maßnahmen. Der Zeitpunkt der klinischen Untersuchung wird entsprechend des Zustandes des Patienten gewählt.
Darauf darf keinesfalls verzichtet werden. Chirurgische Fälle etc. müssen als solche erkannt werden und in so einem Fall selbstverständlich einer entsprechenden Therapie zugeführt werden.
Die Wahl des homöopathischen Arzneimittels
Sind Anamnese und Untersuchungen Anamnese abgeschlossen, werden die Symptome nach ihrer Bedeutung sortiert (Hierarchisiert).
Schließlich wird auf der Basis von Anamnese und Untersuchung das individuelle Mittel für den Patienten ermittelt.
Grundvoraussetzung für die Wahl des richtigen homöopathischen Mittels ist eine profunde Arzneimittelkenntnis.
Ein Hilfsmittel stellt das Repertorium dar. Im Repertorium sind Symptome aufgelistet und homöopathischen Arzneimitteln zugeordnet.
Die Ausführungen zeigen, welche Bedeutung eine gut durchgeführte Anamnese hat.
Der homöopathische Tierarzt bekommt Informationen zur Arzneimittelwahl, Hinweise für notwendige (weiterführende) Untersuchungen und hat die Möglichkeit Vertrauen zu schaffen und seinen Patienten gut kennen zu lernen.
Literatur
Hahnemann, S., Organon der Heilkunst
Georgos Vithoulkas, Die Praxis homöopathischen Heilens
Herstellung DVD-Video: Im Auftrag der Fort- und Weiterbildung für Tierärzte
von Mona Hafez, Evolution Film
Bildnachweis: Thomas Kerzner / photocase.com